Die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland verbessern sich. Der vom Konsum getragene Aufschwung überdeckt jedoch die anhaltende Schwäche der Industrie, für die es keine schnelle Lösung gibt.

Die in dieser Woche veröffentlichten Daten zeigen, dass der Aufschwung in der deutschen Wirtschaft an Fahrt gewinnt, insbesondere im Dienstleistungssektor wie dem Tourismus und dem Gastgewerbe. Die Stimmung unter den Unternehmen verbessert sich, während die Zuversicht wächst, dass eine weithin erwartete Winterrezession abgewendet wurde.

Auch wenn die Fabriken weiterhin in der Flaute stecken, wird die positive Entwicklung im Herzen Europas in der gesamten Eurozone begrüsst, in der Deutschland der wichtigste Wachstumsmotor war, bevor steigende Energiekosten und eine schwächere Nachfrage aus China das Land zum grössten Nachzügler machten.

Davon könnten auch die Regierungsparteien profitieren, denn steigende Löhne, sinkende Inflation und die Aussicht auf baldige Zinssenkungen verbessern die Aussichten — was wiederum dazu beiträgt, die Anziehungskraft der AfD zu mindern, deren Unterstützung in den letzten Jahren stark zugenommen hat.

«Die Verbraucher sind sich der Entwicklung etwas sicherer und bereit, etwas mehr auszugeben», sagt Anja Heimann, Volkswirtin bei HSBC. Da das verarbeitende Gewerbe aber immer noch auf der Stelle tritt, «rechnen wir nicht wirklich mit einem starken Aufschwung in Deutschland, da die Industrie einen so grossen Anteil am Gesamtwachstum hat.»

Eine erste Schätzung zum Bruttoinlandsprodukt für das erste Quartal wird am Dienstag von Destatis erwartet. Die Bundesbank hat kürzlich ihre bisherige Prognose eines Rückgangs revidiert und geht nun von einem — wenn auch bescheidenen — Wachstum aus. Nach der Schrumpfung im Vorquartal dürften die gestiegene Industrieproduktion und die dank des milden Winterwetters bessere Entwicklung im Baugewerbe das Ergebnis begünstigt haben.

Diese Ansicht deckt sich mit der Einschätzung der von Bloomberg befragten Ökonomen, die einen Anstieg des BIP um 0,1 Prozent erwarten. «Die deutsche Wirtschaft befindet sich auf dem Weg der Besserung, so die jüngsten Umfragedaten. Der gestiegene Ifo-Geschäftsklimaindex für April deutet darauf hin, dass die Wirtschaftstätigkeit im laufenden Quartal stärker als erwartet zunehmen wird, was vor allem auf das beschleunigte Wachstum im Dienstleistungssektor zurückzuführen ist», schreibt Martin Ademmer, Bloomberg-Ökonom.

Wie auch immer das Ergebnis: Die Chancen stehen gut, dass dieses Quartal stärker ausfallen wird. Die vom Ifo-Institut gemessenen Geschäftserwartungen erreichten im April ein Jahreshoch, während die Verbraucherstimmung laut GfK dank steigender Gehaltserwartungen den dritten Monat in Folge zulegte.

Die neue Zuversicht trifft auf eine rückläufige Inflation, die von ihrem Höchststand von 11,6% auf 2,3% gesunken ist. Dieser Trend spiegelt sich in der gesamten Region wider und hat die Europäische Zentralbank dazu veranlasst, nach einer Serie von Zinserhöhungen eine erste Zinssenkung für Juni in Aussicht zu stellen.

Die Unternehmen, die in dieser Woche ihre Ergebnisse für das erste Quartal vorlegten, spiegelten die besseren Nachrichten wider: Der Softwarehersteller SAP rechnet mit einem Rekordumsatzwachstum im Cloud-Geschäft und Adidas hat sein Gewinnziel angehoben.

Das Ausmass des Aufschwungs in Deutschland wird jedoch durch die Dominanz des verarbeitenden Gewerbes gebremst, das laut der jüngsten Umfrage von S&P Global unter Einkaufsmanagern seit fast zwei Jahren schwächelt.

Der Chemieriese BASF musste Anfang 2024 einen Gewinnrückgang hinnehmen und Vorstandschef Martin Brudermüller sagte, er könne «keine grundlegende Trendwende» in seiner Branche bestätigen, die unter hohen Gaspreisen und einer schwachen Auslandsnachfrage leidet.

Nicht viel besser ist die Stimmung in der Leitbranche Automobilbau. Der Zulieferer Continental blieb hinter den ohnehin niedrigen Erwartungen zurück und Vorstandschef Nikolai Setzer warnte die Aktionäre am Freitag, das laufende Jahr sei «schwach begonnen» worden.

Verarbeitende Gewerbe leidet weiter

Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel, sagte, er höre von «relativ robusten» Auftragseingängen, während die Analysten der Deutschen Bank optimistisch sind, dass das globale Wachstum die Exporte in den kommenden Monaten stützen wird. Der Internationale Währungsfonds hat kürzlich seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum im Jahr 2024 geringfügig auf 3,2% angehoben.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich optimistisch geäussert: «Der Beitrag der deutschen Industrie zu Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung ist ungebrochen.»

Es wird zwar noch dauern, bis die Industrie die Vorteile einer lockereren Geldpolitik zu spüren bekommt, aber die Exporte könnten in diesem Jahr von einem stärkeren Welthandel profitieren. Ifo-Präsident Clemens Fuest wundert sich, dass dies noch nicht der Fall ist.

«Wir sehen, dass sich die Weltwirtschaft erholt, aber das scheint das deutsche Verarbeitende Gewerbe nicht zu erreichen», sagte er gegenüber Francine Lacqua von Bloomberg. «Wir sehen den Aufschwung dort noch nicht. Er wird hoffentlich kommen, aber das kann noch dauern.»

Auch strukturelle Sorgen bestimmen das Bild. Die schwachen längerfristigen BIP-Prognosen bereiteten Wirtschaftsminister Robert Habeck Sorgen, als er am Mittwoch eine magere Anhebung der diesjährigen Prognose vorstellte. Die Regierung rechnet nun mit einem Wachstum von 0,3% nach zuvor 0,2%.

«Dazu müssen wir neue wirtschaftliche Dynamik ermöglichen, Innovationen stärken, unnötige Bürokratie abbauen und den Arbeitskräftemangel entschlossen angehen», sagte Habeck.

Das hat sich als schwierig erwiesen. Das jüngste Steuerentlastungspaket in Höhe von 3,2 Milliarden Euro wurde in langwierigen Verhandlungen verwässert und von Finanzminister Christian Lindner nur als ein erster Schritt zu einem kräftigeren Wirtschaftswachstum angesehen.

Zudem muss Scholz’ Ampelkoalition für den Haushalt des kommenden Jahres rund 20 Milliarden Euro einsparen, um die Schuldenbremse einzuhalten. Laut Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, wird die daraus resultierende Debatte den wirtschaftlichen Aufschwung zwar bremsen, aber nicht verhindern.

«Solange die politische Unsicherheit nicht zunimmt, dürften Haushalte und Unternehmen ihre Ausgaben nach der jüngsten Delle wieder erhöhen», sagt er. «Die Erholung der Unternehmens- und Verbrauchererwartungen deutet darauf hin.»

(Bloomberg)